Warum ich erst Handwerker bin und dann Künstler . . .
Einige musikalisch-pädagogische Betrachtungsweisen* (2009)
Das Konzept des universellen Lernens basiert auf einer Methode, die in der sogenannten klassischen Klavierausbildung heute leider selten anzutreffen ist, aber in Wahrheit die natürlichste Vermittlung von Musik darstellt. In diesem Sinne handelt es sich dabei nicht um eine neue „Erfindung“ der Musikpädagogik, als vielmehr um eine der ursprünglichsten Methoden des Musiklernens überhaupt.
Wer authentisch Musik machen will, der muss vor allem ein Handwerk erlernen, nach der Devise: Erst das Handwerk, dann die Kunst!
Musik ist wie eine Sprache und wer eine Fremdsprache erlernen bzw. seine Gefühle, Gedanken oder Handlungen mittels dieser Sprache zum Ausdruck bringen will, der muss das Vokabular, die Grammatik und Artikulation jener Sprache erlernen. Als Grundvoraussetzung aller Sachverhalte dient das Beherrschen unserer Sprechwerkzeuge, denn die schlauesten Gedanken sind vergebens, wenn sie nicht artikuliert werden können.
In der Musik nützt selbst überragendste Musikalität nichts, wenn das jeweilige Instrument nicht beherrscht wird. Und wie bescheiden und kümmerlich wäre es, Musik nur mechanisch zu reproduzieren, entgegen unserem eigenen Ausdruckswillen, unseren individuellen Bedürfnissen und Potenzialen. Keiner wird eine fremde Sprache zu beherrschen glauben, wenn er nur deren Gedichte aufsagen könne, sich aber nicht in ihr auszudrücken vermag.
Eine Komposition ist sozusagen „nur“ ein fertiges Produkt, ein Endprodukt, welches in seinem Schöpfungsprozess aus vielen Vor- und Nebenbedingungen entstand: Diese Bedingungen sind beispielsweise musikalisches Wissen und musikalische Erfahrung, technische Fertigkeit, ästhetisches Wahrnehmungsvermögen und eine gewisses intuitives Verständnis des Schaffenden für die Musik und dem Musikinstrument. Dies bedeutet, dass hinter einer jeden Komposition ein langer Entwicklungsprozess und ein musikalisches Fundament stecken.
Nur so kommen wir zu einer Tonsprache.
Auf der methodischen Ebene des strukturellen Lernens soll der Lernende selbst einen gewissen Entwicklungsprozess durchleben, um Musik von innen heraus zu erarbeiten. Dadurch wird die bloße reproduktive Vermittlung von Musik (mechanisches Lernen) vermieden.
Der Weg ist das Ziel!
*Ausschnitt aus meiner Examensarbeit (David Rosenzweig 2009)