Die Klavierstunde* (1963)

 

Das Aufgabenbuch

 

Eine ähnliche Chronik, wie sie der Lehrer für sich führt, sollte auch für den Schüler in Form des „Aufgabenbuches“ geführt werden. Ein Kind würde nicht nur seine Aufgaben sehr schnell vergessen, sondern auch das theoretisch Erlernte von einer Unterrichtsstunde bis zur nächsten verlieren, wären nicht die wesentlichsten Punkt schriftlich und für es stets greifbar niedergelegt. So erfüllt das Aufgabenbuch eine ganz wesentliche Funktion in der Ausbildung. Ein Oktavenheftchen genügt, um die aufgegebenen Stücke und Übungen nach Nummern oder Titeln zu notieren und durch kurze Bemerkungen an Wesentliches zu erinnern, beispielsweise:

„der vierte Finger links darf nicht einknicken!“ oder „die Wiederholung piano spielen“. Das Heftchen wird in den meisten Fällen regelmäßig oder wenigstens gelegentlich von den Eltern des Schülers eingesehen und stellt somit zudem eine Art Vermittler zwischen Lehrer und Eltern dar. Bemerkungen über die Leistungen des Schülers sollten schon aus diesem Grunde nicht fehlen. Davon abgesehen können sie auch für den Schüler selbst nützlich sein, der ja irgendeinen Maßstab für die Bewertung seiner Arbeit gewinnen muß. In vielen Fällen wird es allerdings notwendig sein, den Schüler immer wieder darauf aufmerksam zu machen, daß er dieses Heftchen täglich einsieht. Ein gesondertes Notenheft zum Festhalten von Fingerübungen und theoretischen Studien ist ein weiteres selbstverständliches Utensil der Ausbildung. Schlampige Kinder pflegen beides in regelmäßigen Abständen zu verlieren – vielleicht sogar nicht einmal ganz absichtslos: sie hoffen dann, daß der Lehrer selbst nicht mehr weiß, was er in der vorigen Unterrichtsstunde eingetragen hat. In diesen Fällen gibt es zwei Hilfsmittel: dem Kind muß klargemacht werden, daß es hierdurch keinen Gewinn erzielt und daß der Lehrer den Inhalt der letzten Unterrichtsstunde nicht zu vergessen pflegt; dann dürfte es auch ratsam sein, sofort die Eltern über den Verlust aufzuklären und ihnen eine sorgfältige Überwachung des Kindes nahezulegen.

 

*aus Erich Wolfs  "Der Klavierunterricht" (1963)