Auszug aus der Klavierschule* von D. G. Türk (1789)
§.15. Das Wichtigste, wofür man anfangs zu sorgen hat, ist ein guter Lehrer. Gewöhnlich wird es in diesem Stücke versehen; denn das Vorurtheil: die Anfangsgründe kann man bey einem Jeden erlernen, ist fast allgemein. Man glaubt etwas zu ersparen, nimmt den wohlfeilsten an, und läßt sichs im Grunde weit mehr kosten, als bey dem theuersten; denn die Erfahrung bestätigt es, daß ein geschickter und gewissenhafter Lehrer seine Schüler in einigen Monaten weiter bringt, als ein schlechter die Seinigen in einem ganzen Jahre. Wie viel Zeit und Mühe geht nicht noch überdies dabey verloren? Denn gemeiniglich fängt der Lernende, wenn er oft mehrere Jahre hindurch ohne richtige Grundsätze unterrichtet worden ist, und endlich, nach mancher mühsamen Stunde, seine und des Lehrers Unwissenheit einsieht, bey einem Geschiktern wieder von den Anfangsgründen an! Und wie schwer ist es, sich alte mechanisch gewordene Fehler abzugewöhnen.
Ich weiß, daß man hierin nicht immer nach Belieben wählen kann, weil sich nur wenige geschickte Meister (die überhaupt an manchen Orten wohl selten seyn möchten) mit Anfängern abgeben. Wenn man aber einen Lehrer bekommen kann, welcher viele gute Scholaren gezogen hat, so lasse man sich ja nicht durch Sparsamkeit verleiten, einen wohlfeilern anzunehmen.
§.16. Wer bereits einen geschickten Lehrer hat, der vertraue sich, ohne die dringendste Noth, keinem Andern an; denn gemeiniglich hat jeder seine eigene Lehrart, folglich geht viel Zeit dadurch verloren, ehe sich der Lernende wieder an eine andere Methode gewöhnt, wenn auch die Lehrer den Grundsätzen selbst nicht von einander abweichen sollten. Einige Liebhaber der Musik rechnen sichs zum Verdienste an, bey vielen Meistern Unterricht gehabt zu haben: aber nur Wenige haben Ursache, darauf stolz zu seyn, denn ihr Geschmack ist gemeiniglich sehr unbestimmt, und in eine fehlerhafte Ungleichheit ausgeartet.
Daniel Gottlob Türk: Clavierschule oder Anweisung zum Clavierspielen für Lehrer und Lernende
(Faksimile-Reprint der 1.Ausgabe 1789)